Sogar der Bundestag hat sich im vergangenen Jahr schwer damit getan, ein Gesetzgebungspaket zu schnüren, das sich mit dem Thema „Fracking“ auseinandersetzt. Erst nach langem Hin und Her wurde in der Regierungskoalition im Sommer endlich Einigkeit erzielt. Damit ist die Debatte im „Hohen Haus“ zumindest in der kommenden Legislaturperiode halbwegs erstickt.
Die gesellschaftliche Debatte aber geht weiter. Warum eigentlich? Wer hat daran Interesse? Folgt sie Regeln? Die Kieler Sozialwissenschaftlerin Stefanie Wodrig fand eine Antwort, die für Kommunikatoren wie eine Mahnung klingt: Wodrig kam nämlich zu dem Ergebnis, dass Begriffsverwirrung - genauer gesagt: Begriffsentleerung - ein wichtiger Aspekt gesellschaftlicher Debatten ist. Frank Pergande berichtete darüber vor kurzem in der FAZ.
Wer jemals eine aufgeregte Protestveranstaltung miterlebt hat, der wird zustimmend nicken: Denn ein begriffsentleerter Begriff lässt jede – gerne auch die übelste, grausamste und schlimmste – Interpretation zu. Die Unbestimmbarkeit und Beliebigkeit eines Begriffes führt somit unmittelbar zu diffusen Ängsten – unabhängig von Fakten. Denn Emotionen sind nun mal stärker als Tatsachen.
Emotional gefärbte Einstellungen können dann nach Belieben verstärkt werden. Ein Beispiel: Der amerikanische Dokumentarfilm „Gasland" aus dem Jahr 2011 übersteigert angeblich negative Folgen des unkonventionellen Frackings für das Trinkwasser. Die bekannteste Szene: Das aus dem Wasserhahn sprudelnde Wasser wird angezündet und brennt. Zwar hat das brennende Wasser überhaupt nichts mit Fracking zu tun, dennoch formierte sich daraufhin auch in Deutschland Widerstand, nicht nur gegen Fracking, sondern – wir Deutsche sind gründlich – gegen jede Form der Tiefenbohrung.
Der Widerstand gegen Erdgas- und Erdölförderung wurde hierzulande zur fundamentalen Auseinandersetzung von Gut und Böse – auch wenn bis dahin niemand am Fracking Anstoß genommen hatte, weder an der Technik noch an den Genehmigungsverfahren. Weiter befeuert wurde das Thema ausgerechnet von politischer Seite: Mit der Energiewende und der „Dekarbonisierungs-Debatte“ wurde auch jede Art der Förderung fossiler Energieträger – ob auf See oder in der Eifel – erst einmal in Frage gestellt. Bürgerinitiativen schossen wie Pilze aus dem Boden.
Das war das Ende der sachlichen Auseinandersetzung. Versuche, eine faktenorientierte Diskussion wiederzubeleben, blieben bislang erfolglos. Ein Beispiel: Exxon Mobil gab ein Gutachten in Auftrag, um die Risiken des Frackings noch einmal prüfen zu lassen. Es blieb ohne jede Wirkung. Trotz der Auswertung von mehr als 700 Dokumenten – darunter Landtags- und Bundestagsdebatten, Erklärungen der Bürgerinitiativen, aber auch der Industrie – stellte Wodrig fest, dass dieses Gutachten für die weitere Debatte bedeutungslos blieb.
Auch andere Gutachten, etwa des Umweltbundesamts, lösten den Konflikt nicht. Stefanie Wodrig zieht folgende Schlussfolgerung: „Die Bürgerinitiativen haben eine Politisierung herbeigeführt, wodurch erst eine nichtfossile Zukunft überhaupt möglich wird." Die Erdgasförderer müssten sich der Öffentlichkeit stellen, sie bräuchten gute Argumente.
Im Jahr 2021 wird der Bundestag die Angemessenheit des Fracking-Verbots erneut überprüfen. Es bleibt abzuwarten, ob wir dann mit einer sachlichen Debatte rechnen können. Die Erdgasförderer haben bis dahin noch eine Vielzahl kommunikativer Aufgaben vor sich und Herausforderungen zu meistern. Es wird Zeit, schon heute damit anzufangen.