Die andauernden Proteste gegen das Projekt „Stuttgart 21“ und die hilflosen Reaktionen von Politik und Wirtschaft sind symptomatisch. Sie belegen wieder einmal: die Macht geht eben doch vom Volke aus – jedenfalls von denjenigen, die sich aktiv gegen etwas zur Wehr setzen; und das werden immer mehr.
Überhaupt: Gegner haben es heute einfacher als Befürworter. Nicht nur in Stuttgart, sondern auch bei anderen Investitionsvorhaben, die in dieser Republik anstehen: etwa bei Kraftwerksbauten, bei Abgrabungen von Braunkohle, Kies und Sand, oder bei Flughafenerweiterungen. Der streitbare Publizist und Tausendsassa Arnulf Baring erkannte schon in seinem 2002 erschienen FAZ-Beitrag „Bürger auf die Barrikaden“, dass es die Reformschwäche der Politik sei, die den Bürger zum „Aktivisten“ mache.
Dies gilt auch heute noch.Denn die Bürger haben – auch diese These stammt von Baring – eine hohe kommunalpolitische Kompetenz. Und genau diese kommt zum Tragen, wenn sie sich Sorgen um das heimatliche Umfeld machen: So wird aus den Befürchtungen und Ängsten Einzelner eine „Solidargemeinschaft der Gegner“, eine breite, unüberseh- und hörbare Front – heterogen, vielstimmig und kreativ.
Mit dazu bei trägt die Tatsache, dass die Bürger immer besser und immer schneller informiert sind. Damit einher geht der Anspruch, auch eingebunden zu werden, mitentscheiden zu können. Und dieser Anspruch auf politische Teilhabe wird – wenn es denn sein muss –auf der Straße erstritten.
Die Politik und die Politiker – nicht nur in Stuttgart und im Ländle, sondern in der ganzen Republik – müssen sich darauf einstellen, dass der mündige Bürger in Zukunft auch der Aktive, der Mitbestimmer, der Demonstrierende und der Mitgestaltende sein wird.