Kommunikation verläuft immer in zwei Richtungen. Sie beinhaltet die Botschaft, die ich zu senden versuche und die, die tatsächlich beim Empfänger ankommt. Ob sich diese zwei Botschaften unterscheiden, hängt von vielerlei Faktoren ab. Von meiner Beziehung zum Empfänger, von dessen Erwartungen und Erfahrungen, vom Kontext und der Tonalität einer Botschaft.Um sicherzustellen, dass meine Botschaft den Empfänger erreicht, ist es deshalb wichtig, ihn zu verstehen. Nicht umsonst predigen wir in der Kommunikation immer wieder, alles auf die Zielgruppen auszurichten. Im Optimalfall kenne ich meine Zielgruppe bereits durch persönlichen Austausch, Studienergebnisse oder Erfahrungswerte. Ist dem aber nicht so und ich kann mir eine Befragung gerade nicht erlauben, kann eine basale menschliche Fähigkeit mir dabei weiterhelfen, meine Zielgruppen zu verstehen: Empathie.
Jeder Mensch ist grundsätzlich dazu in der Lage, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Empathie ist eine der wichtigsten Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Sie ist der Kitt, der ganze Gesellschaften zusammenhält und uns davon abhält, rein egoistisch zu handeln. Dabei bedeutet Empathie nicht nur, dass ich weiß, wie ein anderer etwas empfindet, sondern dass ich es auch verstehe.
Sich in jemanden hineinzuversetzen geht also weiter als sich nur in Studienergebnisse einzulesen. Wer seine Zielgruppe wirklich verstehen will, muss versuchen, ihre Perspektive einzunehmen. Welche Sorgen und Nöte hat sie? Welche Einstellungen und Werte? Was ist ihr wichtig? Woran glaubt sie? Welche Sprache spricht sie und wie sieht ihr Alltag aus? Was erwartet sie von mir? Wenn wir versuchen, die Welt mit den Augen unserer Zielgruppe zu sehen, können wir lernen, ihre Standpunkte nachzuvollziehen und bessere Maßnahmen zu entwickeln, um sie zu überzeugen.
Leider ist es ein bisschen aus der Mode gekommen, sich zu fragen, was das Gegenüber fühlt. Das ist nicht nur in der Unternehmenskommunikation so, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Wer sich von einer Äußerung verletzt fühlt ist schnell „selber Schuld“, hat etwas „falsch verstanden“ oder pocht angeblich zu sehr auf „political correctness“.Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, sich so zu äußern, dass der Angesprochene nicht nur nicht verletzt wird, sondern sich auch ernst- und angenommen fühlt. So manche fehlgeleitete Kampagne und manches mehr als unglücklich gewählte Fotomotiv (Stichwort H&M) hätte vermieden werden können, wenn sich die Verantwortlichen eine Sekunde Zeit genommen hätten, um sich zu fragen: „Wie könnten andere das wahrnehmen?“
Es muss nicht einmal immer darum gehen, dass eine schlecht geplante Kommunikationsmaßnahme jemanden verletzt. Oft wird die Zielgruppe auch einfach nur maßlos enttäuscht, weil man sich offensichtlich vorher keine Gedanken über ihre Erwartungen gemacht hat. Ein aktuelles Beispiel ist der Computerspieleentwickler Blizzard. Dieser stellt jedes Jahr auf einer eigenen Messe seine geplanten Spieleentwicklungen vor. Tausende Gamer, zum großen Teil loyale Anhänger von Blizzard, fiebern diesem Termin in jedem Jahr entgegen und erwarten, dass ihnen dort spannende neue Spiele vorgestellt werden. Viele von ihnen fahren extra zur Messe oder kaufen sich ein Stream-Ticket, um die Spielevorstellung live vom heimischen PC aus zu verfolgen.
Die Blizzcon ist quasi ein bisschen wie eine Apple-Keynote für Computerspielefans. Gamer, die sich für Blizzard-Spiele interessieren, sind dabei eingefleischte PC-Spieler. Sie interessieren sich weniger für Konsolenspiele und in der Regel kaum für Mobile Gaming. Das weiß Blizzard. Trotzdem stellte das Unternehmen in diesem Jahr als Höhepunkt seiner Messe ein Spiel vor, das ausschließlich auf dem Handy gespielt werden kann.
Die Enttäuschung der Spieler war riesig. In einem Q&A-Panel im Anschluss an die Vorstellung des Spiels fragte einer der Messebesucher empört: „Is this an out of season April fool’s joke?“ und wird seitdem von der Gamerschaft dafür gefeiert. Die Frage eines anderen Teilnehmers danach, ob das Spiel auch für den PC erscheinen würde, beantwortete Blizzard wenig feinfühlig mit „Don’t you have phones?“ und wurde dafür von der eigenen Anhängerschaft ausgebuht.
Das Video der Spielevorstellung, das im Anschluss auf YouTube online gestellt wurde, sammelt seit seiner Veröffentlichung fleißig hunderttausende von Dislikes von Gamern weltweit. Statt der Enttäuschung irgendetwas entgegen zu setzen, gießt Blizzard durch schlechtes Community-Management Öl ins Feuer und lässt kritische Kommentare unter dem Video immer wieder löschen.
Die eigentlich eingefleischten Fans sind darüber massiv erbost und tauschen sich auf der Plattform Reddit über ihre große Enttäuschung aus. In Reaktion auf den Shitstorm ist die Blizzard-Aktie zum Wochenstart deutlich eingebrochen. Blizzard hat sich durch die Form der Ankündigung des neuen Spiels also wahrlich keinen Gefallen getan. Weil das Unternehmen Erwartungen falsch eingeschätzt hat.
Hätte Blizzard die Vorstellung der mobilen Version des Spieleklassikers „Diablo“ nicht zum Höhepunkt der eigenen Messe gemacht, wären die Reaktionen vielleicht milder ausgefallen. Blizzard hat sich jedoch offensichtlich vorher nur wenig Gedanken darüber gemacht, was ihre Zielgruppe überhaupt erwartet. Das Unternehmen hat sich nicht die Mühe gemacht, die Perspektive der Gamer einzunehmen und sie damit verprellt, weil sie sich unverstanden fühlen.
Mit ein bisschen Empathie und gesundem Menschenverstand wäre das zu vermeiden gewesen. Von Empathie profitiert nicht nur die Zielgruppe, sondern auch Unternehmen, die damit zeigen, dass sie ihre Zielgruppe ernst nehmen und verstehen. Am Ende ist es Empathie gegenüber den Zielgruppen, welche die Reputation eines Unternehmens massiv beeinflussen kann. Kommunikatoren sollten sich also öfter Mal Zeit nehmen, die Welt aus einer anderen Perspektive als ihrer eigenen zu betrachten. Es kann erhellend sein.