Die „New Work“ geht nun ins dritte Jahr, durch die gelockerte Corona-Politik gibt es so gut wie keine Vorgaben mehr. Neue Abläufe und Formate im beruflichen Alltag haben sich etabliert und sind zur Gewohnheit geworden. Was hat sich dadurch für die Interne und Externe Kommunikation dauerhaft geändert und was war nur ein durch die Pandemie bedingtes Strohfeuer?
Die Arbeitswelt heute ist eine völlig andere als die vor drei Jahren. Die Pandemie hat einen Boost ausgelöst: Flexibilität, Agilität, Eigenverantwortung. Die Zukunft der Kommunikation ist dual: analog und digital. Die vor Beginn der Pandemie von einigen übereifrigen Kolleg:innen totgesagte „analoge Begegnung" wird stark gefordert. Die Top-Ziele der PR „Glaubwürdigkeit“ und „Vertrauen“ sind im direkten Gespräch besser zu erreichen, dafür aber aufwendiger und teurer. Es wird ein Rennen um Effizienz in den Kommunikationsteams geben. Wie erreiche ich ein bestmögliches Wahrnehmungsziel mit definierten Mitteln? Digital ist da klar im Vorteil. Dennoch bin ich überzeugt, Kommunikation im persönliche vis-à-vis wird an Attraktivität gewinnen – in den Agenturen und im Austausch mit Kund:innen.
Das auslaufende Jahr war geprägt von Gewalt, Krisen und Existenzsorgen. Ein Ende der Ereignisse scheint nicht in Sicht. Wie beeinflussen solche Weltgeschehnisse die (Regel-) Kommunikation von Unternehmen?
Wir haben eine vitale, anhaltende Debatte um Haltung und Werte in der Gesellschaft. Verantwortliche Akteur:innen aus Wirtschaft und Industrie müssen liefern. Nebulöse Ankündigungen im politischen Duktus wie etwa „klimaneutral bis 2045“ verfangen nicht mehr. Nebelkerzen werfen wird im digitalen Zeitalter schnell und direkt abgestraft. Konkretes Handeln ist von Organisationen gefordert. Die Zündschnur dessen, was als akzeptabel gilt, ist kürzer geworden. Initiativen wie „Letzte Generation“ greifen zu radikalen Mitteln; da wird vermutlich noch mehr kommen.
Kommunikation hat zunehmend die Aufgabe, die Welt von außen nach innen zu tragen, Denkmuster, Einstellungen und Erwartungen in die Top-Etagen der Wirtschaft zu übersetzen und Vorschläge zu unterbreiten, wie sich künftig Bindungen wertschätzend organisieren lassen. Akzeptanz ist die Währung guter Kommunikation. Fehlt sie, ist die Zukunft fraglich.
Ein Blick ins nächste Jahr: Die Welt und vor allem Europa stehen vor massiven Herausforderungen. Worin sehen Sie die wichtigsten Aufgaben der Kommunikation für die nötigen Transformationen, beispielsweise im Bereich Klimaschutz?
Die Herausforderungen sind multidimensional. Dazu zählen soziale Herausforderungen wie Vielfalt, Chancengleichheit und Bildung, aber auch ganz besonders die massiven Bedrohungen durch Erderwärmung und Artensterben. Nachhaltigkeit gehört somit auf den vordersten Platz der Agenden von Politik und Wirtschaft. Die Dringlichkeit ist allen bewusst. Gestaltungswille, unternehmerisches Handeln, Investitionen jedoch hängen oftmals dramatisch hinter den Erkenntnissen her. Ein Glaubwürdigkeitsdilemma, das nicht unentdeckt bleibt. Kritische Gruppen schaffen maximale Aufmerksamkeit für ihre Anliegen und stellen Unternehmen an den öffentlichen Pranger. Sie finden Zustimmung in der breiten Öffentlichkeit. Wir müssen uns auf ein zunehmend hypersensibles Umfeld einstellen, das nervös reagiert und das Trennende mehr betont als das Einende. Die Bereitschaft zum Dialog ist oftmals limitiert. Kommunikation findet zunehmend unter erschwerten Bedingungen statt.
Das gesamtgesellschaftliche Ziel ist eine gute und lebenswerte Zukunft. Über den Weg dahin und das Tempo besteht mitunter Uneinigkeit. Kommunikation ist der Kit zwischen den polarisierenden Welten. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sichern die Dialogbereitschaft und damit die Zukunftsfähigkeit von Betrieben. Unser Job als Kommunikationsprofis ist es, zu vermitteln zwischen Erwartungen und Machbarem, zwischen Maximalforderungen und wirtschaftlichen Marktbedingungen, zwischen Fakten und Emotionen. Das ist die Herkulesaufgabe für Kommunikator:innen in den nächsten Dekaden.