28.7.2021
Blog

Lernen aus Kommunikationsfehlern der anderen: Warum sich Führungskräfte die Politik nicht zum Vorbild nehmen sollten.

  • Politiker:innen zählen statistisch gesehen zu den unbeliebtesten Berufsgruppen
  • Top-Manager:innen betrachten Angela Merkel dennoch als Role Model
  • Vertrauen wird zur zentralen Währung und muss von Führungskräften aus Politik wie auch Wirtschaft wohl verdient sein
von
Kai vom Hoff
Lesedauer: 5 Minuten
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Nie war es für Politiker:innen scheinbar so schwer, das Vertrauen der Wähler:innen zu gewinnen. Denn: Politische Vertreter:innen genießen derzeit nicht bei allen einen guten Ruf. Wer über sie schimpft, erntet häufig Beifall. In Umfragen über das Ansehen von Berufsgruppen rangieren Politiker:innen seit Jahren schon auf den hinteren Plätzen. Übrigens in enger Gefolgschaft von Steuerbeamt:innen und Expert:innen aus der Werbebranche.

Das zeigt: Politiker:innen, gleich welcher Coleur, taugen nicht unbedingt als Role Model. Umso mehr überrascht das Ergebnis einer aktuellen Befragung der Boston Consulting Group unter deutschen Top-Manager:innen zu ihren Vorbildern. Angela Merkel belegt dort den ersten Platz.

Menschlich nachvollziehbar, jedoch sind die größeren Verfehlungen der Merkel’schen Regierungspolitik nicht gerade ein Empfehlungsschreiben für die Personalabteilungen. Ungelöste Probleme in Migration und Integration, eine nur halbherzig betriebene Energiewende, Mängel im Ausbau der digitalen Infrastruktur, die fehlende Erneuerung im Bildungssystem, die jüngsten Impfstoff-Debakel, kommunikative Versäumnisse bei der Versöhnung von Ost und West – eine beispielhafte Demonstration von Pleiten, Pech und Pannen aus vier Amtszeiten.

Veränderungen sind gewünscht, doch Bekanntem wird vertraut

Es drängt sich daher eine Frage an die Wirtschaftselite auf: Wenn schon Role Model, warum nicht Branson, Musk oder Bezos? Siegt die abwartende Haltung, das sprichwörtliche Aussitzen, über den Mut und den Pioniergeist, etwas Neues auszuprobieren?

In ihrer Einschätzung steht übrigens das Top-Management nicht alleine dar. Laut Zufriedenheits-Umfrage sind die Deutschen zu 69 Prozent mit Angela Merkels Politik zufrieden. Ein Rekordwert, trotzt aller Opfer und Einschränkungen während der Pandemie.

Allerdings gibt es auch Ermüdungserscheinungen. Nach sechzehn Jahren Merkel-Regierung wünschen nicht wenige einen Neustart. Gerade jüngere und gut ausgebildete Menschen sind unzufrieden mit dem politischen Angebot. Spürbar sind eine zunehmende Distanz und Skepsis gegenüber den etablierten Parteien und ihren politischen Akteur:innen. Die drängenden Probleme der Gesellschaft lösen zu können, wird ihnen nicht zugetraut.

Verdient Vertrauen, wer um Vertrauen wirbt?

Wie hoch die 69 Prozent Zuspruch zu Merkel sind, macht ein Vergleich deutlich: Armin Laschet, dem derzeit beste Chancen auf den Kanzlerposten eingeräumt werden, liegt aktuell gerade mal bei 37 Prozent Zustimmung. Sein Vertrauenskonto ist noch nicht gefüllt. Das speist sich aus nicht eingelösten Versprechen und meist auch aus subjektiven Wahrnehmungen und Einstellungen der Wählerschaft.

Gerade, weil Vertrauen in die eigene Qualität als Kanzler:in noch nicht aufgebaut werden kann, werben Kandidat:innen besonders auffällig darum. Das macht bisweilen verdächtig. In öffentlichen Debatten, Talkshows, klassischen und sozialen Medien ist vor Wahlen inflationär viel von Vertrauen die Rede. Von Problemen, Entbehrungen, harten Einschnitten und Verzicht will niemand sprechen. Das verkauft sich nicht. Und gerade das macht verdächtig, weil es die eigentlichen Probleme ausspart.

Merke: Vertrauen ist ein Vorschuss auf noch zu erbringende Leistungen!

Wir trauen also den politischen Repräsentant:innen im Voraus zu, ihre Aufgaben in unserem Sinne erfolgreich zu erfüllen. Vertrauen resultiert aus guten Erfahrungen mit einer Person in der Vergangenheit. Wer so handelt, wird auch in Zukunft so handeln, so die Annahme.

Wenn es um den Erwerb von Vertrauen geht, gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten für Führungskräfte aus Politik wie auch aus der Wirtschaft: Führung heißt Handlungsbedarf erkennen, Konflikte benennen und Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen liegen außerhalb des normalen Tagesgeschäfts.

Häufig sind es komplexere Sachverhalte, die in größerem Kontext stehen und Erfahrungen und Kenntnisse erfordern, die operativ nicht abgedeckt werden können.  

Führungskräfte, ob in der Politik oder in Unternehmen, werden dafür bezahlt, dem Land bzw. ihrem Wirtschaftsunternehmen eine gute Zukunft zu bescheren. Am Grad der Zielerreichung werden sie gemessen. Vom wählenden Volk ebenso wie von den Mitarbeitenden, Kund:innen und Aktionär:innen von Betrieben.

Dazu braucht es:

  • Ein gemeinsames Wertefundament, dass die nachhaltige Sicherung der Zukunft zum Ziel hat.
  • Themen, Inhalte, Botschaften auf der Basis der zugrunde liegenden Werte.
  • Eine einfache Sprache, um die Menschen zu erreichen (die Ansprache der Kanzlerin zur Corona-Lage kann hier exemplarisch als Vorbild dienen).
  • Klare und verbindliche Ziele und Beschreibungen, wie diese erreicht werden sollen.
  • Zeitgemäße Führung: Richtung aufzeigen, Orientierung geben, Interessen nachvollziehbar machen, Entwicklungen ermöglichen, Menschen überzeugen, Gemeinsamkeiten im Blick halten, Entscheidungen transparent erklären.
  • Beständigkeit und Konsistenz in den grundlegenden Positionen auch gegen Widerstände.
  • Die Einhaltung von Versprechen.
  • Eine offene Kultur, die ehrliche Kommunikation ermöglicht, in der auch kritische Themen angesprochen werden dürfen.
  • Den kontinuierlichen Dialog mit und Beziehungspflege zu Stakeholder:innen.
  • Moralische Integrität.

Zu guter Letzt: Kommunikation ist immer ein riskantes Geschäft. Riskanter noch ist es, Kommunikation zu unterlassen. Das gilt in besonderem Maße für exponierte Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft.

In Abänderung an die Regierungserklärung Willy Brandts vor knapp 50 Jahren rufe ich beherzt allen Manager:innen und Spitzenpolitiker:innen zu: „Mehr Kommunikation wagen!“

verfasst von:
Kai vom Hoff
Geschäftsführender Gesellschafter
+49 (0) 211 515805 – 11
k.vomhoff@vomhoff.de