7.7.2021
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Versprochen ist versprochen und wird ständig gebrochen

  • Bundestagswahlen sind traditionell die Zeit vollmundiger Wahlversprechen
  • Politische Versprechen werden oft leichtfertig formuliert und können nicht immer eingehalten werden
  • Ehrliche Absichtserklärungen können sozialen Zusammenhalt stärken und Politikverdruss entgegenwirken
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Wahljahr. Das Wort „Versprechen“ fühlt sich schon im Juni so überstrapaziert an, dass es sich Urlaub bis zum nächsten Urnengang vorstellen könnte. Überall wird angekündigt, was auf jeden Fall umgesetzt oder verhindert werden soll, wenn man im September nur an der richtigen Stelle sein Kreuzchen macht. Wenn wir alle jedes Mal einen Euro bekämen, wenn ein:e Politiker:in im Wahljahr etwas verspricht – keine:r von uns müsste je wieder Lotto spielen.

Versprechen – diesen nützlichen Sozialkleber, der Erwartungen auf die Zukunft verlagert und schon bei Kindern Gemüter beschwichtigt wie sonst nur Schokoladeneis, brauchen wir alle von Zeit zu Zeit. Wenn wir etwas nicht sofort tun können, erklären wir unsere Absicht und um dabei ein extra Pfund Glaubwürdigkeit in die Waagschale zu werfen, bemühen wir das Versprechen. Denn versprochen ist bekanntlich versprochen und wird dann natürlich – gebrochen.

Wissen Sie, wie oft allein Jens Spahn seit Beginn der Pandemie etwas versprochen hat, das er nicht halten konnte? Oft genug jedenfalls, dass das Satiremagazin extra3 ihm bereits im Februar einen eigenen Beitrag zu seinen nicht gehaltenen Versprechen widmete. Auch im Mai fragte Anne Will bei ihm kritisch nach, warum es ihm häufiger passiere, dass er Versprechen gebe, die er nicht einhalten könne.

Noch im Dezember stand Spahn in Beliebtheitsumfragen hoch im Kurs, aber inzwischen weht ihm ein rauer Wind entgegen – zu viele Fehler, zu viele gebrochene Versprechen, zu wenig Vertrauen. Ob es um Masken, Schnelltests, Lockdowns oder Impfungen geht – wenn der Minister etwas verspricht, begegnen Medien und Öffentlichkeit ihm inzwischen hauptsächlich mit Skepsis, Hohn und Spott.

Trotzdem hört er mit dem Versprechen nicht auf. Frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, verspricht es sich ganz ungeniert“ fällt er weiterhin mit Aussagen auf, die wenigstens so klingen, als sei er sich sicher, dass seine Prognosen eintreffen werden. Letztes Beispiel: Seine Aussage, die Maskenpflicht könne seiner Einschätzung nach in Gebieten mit niedriger Inzidenz durchaus auch drinnen bald entfallen. Ob das wissenschaftlich sinnvoll ist, wird angezweifelt, aber ankündigen kann man es ja mal. Prüft ohnehin niemand nach. Und wenn doch, ist das egal. An Spahn sind inzwischen mehr Skandale und Debatten abgeprallt als Tautropfen an manch durchschnittlichem Lotusblatt.

Er ist aber natürlich nicht der Einzige, der gern Dinge verspricht und die Beweise häufig schuldig bleibt. Unlöbliches Beispiel ist hier auch SPD-Teilspitze Saskia Esken, die - nur kurze Zeit, nachdem sie mit der SPD-Fraktion gegen eine Anpassung des Transsexuellengesetzes hin zum Selbstbestimmungsgesetz gestimmt hatte - ankündigte, die SPD stünde an der Seite von LGBTIQ+-Personen.

Dieses Rückwärtsversprechen verfehlte in der Community das Ziel, zu beschwichtigen und entfachte in sozialen Medien stattdessen ein Diskussionsfeuer, in dem ein ums andere Mal von Heuchelei zu lesen war. Transpersonen fühlten sich von den regenbogengefärbten Profilen zahlreicher SPD-Politiker:innen eher verhöhnt als unterstützt, kurz nachdem man ihre elementaren Grundrechte zur Selbstbestimmung der Koalitionsdisziplin untergeordnet hatte.

Und jetzt also Wahlkampf. Die Zeit, in der das klassische Versprechen das Upgrade „Wahlversprechen“ erhält, um dann nach der Wahl in etwa den Wert eines abgelaufenen Gutscheins zu haben.

Politische Prozesse, das wissen wir alle, sind zu komplex, um ihren Ausgang vorherzusehen. Politische Versprechen stehen in pluralistischen Demokratien von Natur aus auf wackeligen Beinen – schließlich fallen die nötigen Mehrheiten nicht einfach vom Bundestagsdach. Trotzdem bleibt der bittere Nachgeschmack der ausgetrockneten Versprechen auf der Wähler:innenzunge zurück. Denn was ist ein Versprechen wert, wenn es nicht eingelöst wird?

Das Versprechen an sich verliert an Wert, wenn es seine Einlösungsverpflichtung aufgibt. Das ist schädlich für soziales Zusammenleben. Sich aufeinander zu verlassen ist schließlich das, was menschliche und gesellschaftliche Bindungen auch in stürmischen Zeiten zusammenhält.

Wie wäre es also stattdessen mit weniger Versprechen und mehr ehrlichen Absichtserklärungen? „Wir wollen A, aber dazu muss B passieren. Ob das klappt, wissen wir nicht, aber wir arbeiten dran“ statt „A wird passieren.“ Täte das so weh? Es wäre jedenfalls glaubwürdiger und würde Menschen weniger schnell ihrer Hoffnungen berauben, dass Politiker:innen sich ehrlich für ihre Bedürfnisse einsetzen wollen.

Versprochen. Obwohl – sagen wir lieber: Hoffentlich.

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