Das Geschäft mit der Kommunikation ist eine heikle Sache. Unternehmen nehmen viel Geld in die Hand um in der Öffentlichkeit möglichst eine "bella figura" zu machen und die Gunst des Publikums zu verdienen. Schließlich geht es ja um nichts geringeres als um Akzeptanz und Glaubwürdigkeit.
Diese zu schaffen und zu bewirtschaften ist vornehmlich Aufgabe der Unternehmenskommunikation. Doch was ist, wenn das Unternehmen selbst Auslöser und Verursacher für das Ausbleiben jeglicher Anerkennung und Wertschätzung ist? Beispiele? Klar, jede Menge! Da wäre Volkswagen, oder lieber Audi oder nein, Daimler! Ach, ich habe es nicht so mit Autonamen. Jedenfalls zeigen die Ikonen der deutschen Automobilwirtschaft anschaulich, wie komplette Kulturen, Führungen und Systeme versagen.
Facebook gaukelt uns das virtuelle Lagerfeuer vor, missbraucht aber schamlos und mit Gewinn maximierendem Vorsatz unser Vertrauen im Umgang mit persönlichen Daten. Der ADAC, jahrelang eine der „most trusted brands“, täuscht seine Mitglieder und nebenbei die gesamte Öffentlichkeit durch gezielte Manipulation bei der Vergabe des Gelben Engels. Die Liste derer die anders handeln als sie vorgeben ist lang.
Auch bei vielen gehypten Start-ups ist einiges im Argen. Unlängst berichtete die Welt am Sonntag über Machogehabe und sexuelle Belästigung der zumeist männlich dominierten Chefetagen gegenüber Mitarbeiterinnen. Es ist toll, wenn neben Duz-Kultur auch Vegane Küche Benefits wie Gratis-Avocados oder Sommerpartys geboten werden. Das viele Chichi lenkt aber keineswegs von gravierenden strukturellen Problemen ab oder vom elementaren Bedürfnis nahezu aller Beschäftigten, befristete Arbeitsverträge endlich abzuschaffen.
Es gibt also offensichtlich in einigen Bereichen der Wirtschaft eminente Widersprüche zwischen dem Gesagten und dem Handeln. Hier kommt die Haltung ins Spiel. Ein inflationär gebrauchter Begriff, der scheinbar immer dann zum Zuge kommt, wenn es etwas anzuprangern gilt. Haltung beschreibt die innere Grundeinstellung von Menschen oder Organisationen, die unser Denken und Handeln prägen. Sie ist quasi das Gewissen, das uns rät was gut und was falsch ist. Häufig befassen wir uns mit Haltung, wenn wir diese bei anderen vermissen.
Warum soll ich einem Unternehmen mein Vertrauen schenken? Wohlgemerkt schenken, das impliziert, der andere muss es sich verdienen. Vertrauen zu schenken ist übrigens ein Akt, der auf Freiwilligkeit basiert. Sowas lässt sich kommunikativ nur sehr begrenzt beeinflussen. Welche Haltung hat Ihre Unternehmen, Ihre Organisation? Vielleicht eine spannende Frage.
Warum tun wir uns so schwer mit beweisbarem und überprüfbarem Handeln, das Vertrauen schafft? Vertrauen gründet auf konkreten positiven Erfahrungen, die Menschen mit einer Organisation gemacht haben. Oder sie sind Ergebnis einer subjektiven Überzeugung, also dem Gefühl oder dem Glauben, dass sich ein Unternehmen richtig, wahrhaftig und redlich verhält.
Jede Form der Akzeptanzwerbung und der Öffentlichkeitsarbeit – will sie denn erfolgreich sein – muss aus der Befindlichkeit derer entwickelt werden, an die sie sich wendet. Sie sollte sich an den aktuellen Fragestellungen ihrer Zielgruppe orientieren. Und nicht Fragen beantworten, die keiner stellt, die tatsächlichen Fragen aber unbeantwortet lassen. Aus diesem Grund ist es die erste Aufgabe von Unternehmen, zu hinterfragen, was Menschen wirklich und tatsächlich bewegt.
Der Mensch versteht die immer komplexer werdende Welt nicht mehr. Er traut ihr nicht, weil er sie nicht begreift und kontrollieren kann. Zugleich wird er zunehmend abhängig von ihr. Und alle Versuche, sie ihm durch Information zu erklären, machen ihn noch konfuser und misstrauischer. Hinzu kommt die Forderung nach absoluter Sicherheit und Risikolosigkeit.
Um so wichtiger wird es sein, durch beweisbares Handeln Vertrauen zu verdienen. Kommunikation kann vieles, aber nicht alles. Die Substanz liegt im Unternehmen selbst. Was nützt ein schön aussehender Wagen der technisch am Ende ist?
Ich glaube, dass die Beispiele substantieller Akzeptanzschäden und Verluste an Glaubwürdigkeit in jüngster Vergangenheit eher zugenommen haben. Bei aller Notwendigkeit an Geschwindigkeit, Komplexität und digitaler Transformation, was nützt bitteschön eine austarierte Content und Channel Strategy, wenn Unternehmen in Worten und Taten nicht übereinstimmen?
Kommunikation hat Grenzen. Die Substanz muss stimmen. Und die liegt im Unternehmen und seiner Führung selbst. Ist sie nicht richtig, kann die Kommunikation nie und nimmer richtig sein. Kommunikation muss, um relevant zu sein, nach innen wirken, insbesondere in die Führung. Es darf zwischen Worten und Taten kein Missverhältnis geben. Glaubwürdigkeit kann auch ein marktrelevanter Faktor sein, dann nämlich, wenn ich mich als Verbraucher orientieren kann. Das schafft Präferenz im Markt. Etwa bei der Arbeitgebermarke, aber auch bei der Attraktivität von Produkten und Leistungen.
Um die Glaubwürdigkeit einer Organisation aufzubauen, braucht es mehr als Compliance und Governance Richtlinien. Es braucht eine starke Führung und eine Haltung, welche die Führungsebene einbezieht und sie zur persönlichen Angelegenheit jedes einzelnen macht. Das kann gelingen. Braucht jedoch Zeit, Wille und Zuwendung. Kommunikation kann dazu ihren Beitrag leisten. Klug, strategisch, beharrlich und mit guten Argumenten.