Im Mai 2014 hat der Gesetzgeber zur Vereinfachung von Planfeststellungen – und damit von Investitionen an deutschen Industriestandorten – die sogenannte „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ als informelles Verfahren ins Leben gerufen. Dazu wurde der §25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes geändert. Sechs Jahre sind inzwischen vergangen. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
In §25,3 wird unter anderem festgelegt, dass die zuständige Genehmigungsbehörde – in der Regel das Regierungspräsidium oder die Bezirksregierungen – darauf hinzuwirken hat, dass der Vorhabenträger „die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens“ zu unterrichten hat. Das Ziel des Gesetzgebers war es, den allgegenwärtigen Investitionsstau abzubauen „die Planung von Vorhaben zu optimieren, Transparenz zu schaffen und damit die Akzeptanz von Genehmigungs- und Planfeststellungsentscheidungen zu fördern.
Viele Unternehmen sind bis heute auf die damit verbundenen kommunikativen Herausforderungen nicht, oder nur unzureichend vorbereitet. Es fehlt an Manpower. Mehr noch: Nach wie vor liegt der Fokus bei derartigen Projekten auf technischen und rechtlichen Fragestellungen. Bei der Kommunikation mit Nachbarn, Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und kritischen Stakeholdern wird nur das Nötigste unternommen. Ansonsten herrscht vielfach Fehlanzeige.Das ist umso verwunderlicher als die „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ eine wichtige Voraussetzung für die spätere Antragstellung ist.Insofern macht es Sinn, den Willen des Gesetzgebers ernst zu nehmen, auch wenn die damit verbundenen Aufgaben komplex sind und (zunächst) Kosten verursachen.
Denn die Chancen, die mit der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ verbunden sind, sind vielfältig: So können frühzeitig Konfliktpotenziale erkannt, Planungen angepasst und Fehlplanungen vermieden werden. Das spart Zeit und Geld im nachfolgenden formellen Verfahren – und bei der späteren Realisierung. Daher lohnt sich der Aufwand.
Vom Gesetzgeber ist gewollt, dass das Unternehmen die „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ in Eigenregie durchführt. Die Behörde hat auf die „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ lediglich „hinzuwirken“, ansonsten hält sie sich aus allen Aktivitäten heraus. Daher sind vom Unternehmen zunächst folgende Entscheidungen zu treffen:
- Welches Instrumentarium kommt zum Einsatz?
- Wie sieht das Beteiligungsniveau aus?
- Wie lange wird das Verfahren durchgeführt?
- Wie sieht die begleitende Öffentlichkeitsarbeit aus?
- Welche Relevanz haben sie?
- Kenne ich deren Erwartungen und Einstellungen?
- Welche Betroffenheiten werden durch das Projekt verursacht?
- Welche Verbündete können aktiviert werden?
Wie lautet die „Story“?Welche Kompromisslinien können definiert werden?Wie werden die Ergebnisse dokumentiert?Wie sieht der Umgang mit dem Ergebnis aus?
Diese und weitere Fragen sind vorab zu beantworten, um zum richtigen Zeitpunkt mit den passenden Maßnahmen, einer konsistenten Story und mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl an die Öffentlichkeit zu gehen. Dazu sind Erfahrung und Expertise gleichermaßen erforderlich.Sicher, es gibt keine Erfolgsgarantie für die „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“.
Dennoch zeigen erfolgreich durchgeführte Verfahren, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers erreicht werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass es die Unternehmensführung ernst meint und dass die „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ nicht nur als kommunikatives Feigenblatt verstanden wird. Am Ende geht es darum, früh, offen, ehrlich und auf Augenhöhe den sachlichen Austausch zu suchen.