To gender or not to gender? Sternchen, Binnen-I oder weiterhin das generische Maskulinum? Fragen, die die Gemüter spalten, die so stark diskutiert werden, dass sie Einzug ins Kanzler:innen-Triell zur Bundestagswahl halten. Fragen, vor denen sich mittlerweile auch die Unternehmen und ihre CEOs nicht mehr verschließen können.
Zehn der DAX-30 Unternehmen nutzen gendergerechte Sprache. Weitere sechs Unternehmen geben an, dies für die nahe Zukunft zu planen. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die das Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt gemeinsam mit der F.A.Z. durchgeführt hat. Für Befürworter:innen der gendersensiblen Sprache klingt dies erst einmal vielversprechend. Und auch die Medien greifen die Ergebnisse mit lobenden Überschriften wie „Mehrheit der DAX-Konzerne setzt auf Gendersprache“ oder „Jedes zweite DAX-Unternehmen entscheidet sich für Gendern“ auf. Aber was bedeutet eine doch recht schwammige Aussage wie „Wir verwenden gendergerechte Sprache“ in der Praxis?
Gendersensible Sprache beginnt meist auf den Karriere-Seiten
Bei einem ersten Blick auf die Onlineauftritte der DAX-Unternehmen, fällt schnell auf: Eine aktive Sichtbarmachung unterschiedlicher Geschlechter durch Doppelpunkte oder Gendersternchen ist nur sehr vereinzelt zu finden. Das meiste Glück hat man auf den Karriere-Seiten und Jobportalen. Hier scheint die Entscheidung für aktive gendergerechte Sprache leichter zu fallen. Kein Wunder, denn seit 2019 ist eine genderneutrale Jobbeschreibung gesetzliche Vorschrift.
Wer also zusätzlich zum geforderten „(m/w/d)“ neben dem Jobtitel auch im angeschlossenen Text gendersensibel schreibt und alle Geschlechter inkludiert, begibt sich zwar auf die sogenannten extra Meile, wird auf halber Strecke dann aber doch von der Angst vor einem:einer wütenden Gender-Gegner:in aufgehalten. Aktive gendersensible Sprache auf Produktseiten oder in Unternehmensportraits ist nämlich eher Mangelware. Die Angabe „Wir nutzen gendergerechte Sprache“ ist dann zwar nicht falsch, aber doch sehr großzügig ausgelegt.
Gendergerecht, aber bitte ohne großes Aufsehen
Auf ein offizielles Statement, ob man sich für oder gegengendersensible Sprache entschieden hat, verzichten die meisten Unternehmen (bewusst) komplett. Haltung zeigen ist bei einigen gesellschaftsrelevanten Themen eben doch einfacher als bei anderen. Und dabei wird gerade dies immer mehr von Unternehmen und verstärkt auch von deren CEOs gefordert. Still und heimlich schleichen sich langsam, aber sicher immer mehr neutrale Formulierungen in die externen Veröffentlichungen, ohne dass jemals jemand ein Wort darüber verlieren würde. Ganz ähnlich handhaben es auch die CEOs der DAX-Unternehmen.
Eine Analyse der Jobplattform Indeed hat ergeben, dass die 19 Vorstandsvorsitzenden, die auf Social-Media-Plattformen aktiv sind, bei einer großen Mehrheit der Posts eine Sprache wählen, die eine genderspezifische Ansprache ausspart. Die CEOs und ihre Social-Media-Manager:innen schreiben vermehrt vom ‚Team‘ oder nutzen ein inklusives ‚Wir‘ oder ‚Uns‘ und schlagen so quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.
Klare Haltung zeigen und Vorreiter:in werden
Doch auch dieser eher zurückhaltende Umgang kann als Auseinandersetzung mit dem Thema wertgeschätzt werden. Auch bei dieser – bösegesagt – Vermeidungsstrategie werden Frauen, non-binäre Personen und alle, die sich von einem generischen Maskulinum nicht ‚mitgemeint‘ fühlen weniger ausgeschlossen. Und genau das ist das Ziel von gendergerechter Sprache. Auch dieser Umgang kann als Haltung gewertet werden. Wer das generische Maskulinum vermeidet und eine neutrale Ansprache nutzt, der:die hat sich dazu entschieden, alle Geschlechter-Identitäten mitzudenken. Was verborgen bleibt: der Grund für diese Entscheidung. Hier dürfen CEOs und Unternehmen mutiger werden. Denn durch Stillschweigen alle Parteien glücklich zu stimmen, klappt nur bis zu einem bestimmten Punkt.
Was schon jetzt klar ist: Das Thema wird so schnell nicht mehr aus der öffentlichen Diskussion verschwinden. Früher oder später werden Unternehmen, die sich weder äußern noch Gender-Leitfäden einführen, in der Minderheit sein. Früher oder später werden zu den Diskussionen rund um Gendergerechtigkeit auch die Diskussionen über Inklusivität und Barrierefreiheit der Sprache dazu kommen. Spätestens dann braucht es eine klare Haltung, eine öffentlich kommunizierte Entscheidung. Wer heute schon damit anfängt, sich klar für oder gegen gendersensible Sprache ausspricht und diese Entscheidung dann auch in der externen Kommunikation von konsequent umsetzt, kann als Vorreiter:in fungieren und Diversität sowie Vielfalt ganz ohne leere Versprechungen nach außen tragen.