19.9.2024
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Blog
Warum keine Nachhaltigkeitskommunikation auch keine Lösung ist
Disclaimer: Dieser Beitrag ist zuerst im Fachmagazin DER MINERALBRUNNEN des Verbands Deutscher Mineralbrunnen e.V. Ausgabe 03|2024 erschienen.
- Unternehmen wägen Nachhaltigkeitskommunikation gegen juristische Risiken ab
- Fehlende Kommunikation kann Reputations- und Wettbewerbsnachteile verursachen
- Faktenbasierte Kommunikation schafft Chancen, Fortschritte glaubwürdig darzustellen
von
Karin Gesswein
6 Minuten
Die wachsende Reglementierung lässt viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitskommunikation auf den Prüfstand stellen. Überlegungen, sie auf ein Mindestmaß zurückzufahren oder erst gar nicht aufzubauen, sind angesichts drohender Konsequenzen bei Greenwashing-Vorwürfen verständlich, aber auch kurzsichtig.
Ohne Zweifel: Die Kommunikation über ihre ökologische und soziale Verantwortung ist für Unternehmen komplexer geworden. Damit Stakeholder Nachhaltigkeitsleistungen besser einschätzen können, sind mehrere Richtlinien auf den Weg gebracht worden. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Berichtspflicht ab 2025 schrittweise auf immer mehr Unternehmen ausgeweitet. Sie müssen darlegen, wie sie einen nachhaltigen Wandel vorantreiben.
Richtlinien gegen Greenwashing
Auch dem Greenwashing in Werbung und Kommunikation werden Riegel vorgeschoben. Die im Frühjahr in Kraft getretene „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen“ der EU erklärt unter anderem pauschale Zuschreibungen wie „grün“ und „öko“ für nicht mehr zulässig. Sie müssen nachweisbar und präzise sein, also zum Beispiel kenntlich machen, dass sie sich nur auf einen bestimmten Aspekt eines Produkts beziehen.
Mit der Green Claims Directive, deren Verabschiedung in einigen Monaten erwartet wird, gehen noch strengere Regeln einher. Vorgesehen ist zum Beispiel, dass Klimaschutzaussagen von unabhängigen Stellen überprüft und bei Verstößen mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden. Schon jetzt nehmen Klagen in Bezug auf Umweltaussagen und -vergehen gegen Unternehmen zu: Die Zahl der Klimaklagen hat sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Im Jahr 2022 waren laut einem Bericht des UN-Umweltprogramms knapp 2.200 weltweit verhandelt worden. Viele richten sich gegen große Energieunternehmen. Aber auch der Blumenversand Fleurop oder der Fotoservice CEWE wurden von der Deutschen Umwelthilfe aufgrund ihrer Klimaneutralitätsversprechen juristisch zu Unterlassungserklärungen aufgefordert.
Unternehmen gehen auf Nummer sicher
In vielen Organisationen wird der Vorteil einer Differenzierung über Nachhaltigkeitsleistungen deshalb zunehmend mit den juristischen Risiken abgewogen. Um den Vorwurf des Greenwashings auszuschließen, werden nicht nur Formulierungen von Jurist:innen gecheckt, sondern auch die Relevanz ganzer Kommunikationsanlässe in Frage gestellt. Sind die Solarpanels auf dem Dach der Produktionshalle wirklich eine Nachricht wert? Kann das Aufforstungsprojekt kommuniziert werden, obwohl es „nur“ eine angeordnete Kompensationsmaßnahme ist?
Schweigen birgt Nachteile
Da die deutschen Mineralbrunnen meist noch nicht berichtspflichtig sind, stellt sich ihnen vielleicht auch die Frage, ob sie ihre Nachhaltigkeitskommunikation lieber zurückfahren. So würden sie sich der kommenden Reglementierung entziehen. Was einige Jurist:innen vielleicht ruhiger schlafen ließe, bereitet Kommunikator:innen Bauchschmerzen. Denn ein Schweigen bedeutet neue Risiken.
Eines wirkt sich direkt auf das Geschäft aus: Wer nachhaltig agiert, darüber aber nicht spricht, verliert ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Denn auch im FMCG-Bereich sind laut einer GfKStudie 67 Prozent der Konsument:innen bereit, für nachhaltige Produkte einen höheren Preis zu zahlen. Aber nicht nur im Handel, sondern auch auf dem Akzeptanzmarkt gibt es ohne Nachhaltigkeitskommunikation Nachteile: Schon heute wird das Erschließen neuer Brunnen als Eingriff in die Natur teils kritisch gesehen. Auch über Getränkeverpackungen gibt es immer wieder Diskussionen. Die PET-Flasche im Meer gehört zu den beliebtesten Bildmotiven, wenn etwa am Earth Day auf Umweltanliegen aufmerksam gemacht wird. Was würde diesen Bildern gegenüberstehen, wenn niemand über das gut funktionierende Recycling- und Mehrwegsystem für PET-Flaschen in Deutschland spricht? Eine Einordnung würde komplett fehlen. Denn erst mit Nachhaltigkeitskommunikation werden auch die Fortschritte der Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und zur Klimaneutralität bekannt.
Nachhaltigkeitskommunikation unterstützt Recruiting
Das macht Unternehmen auch attraktiv für Bewerber:innen. Im letzten Jahr fand eine Studie von Stepstone heraus, dass Beschäftigte gezielt nach nachhaltigen Arbeitgebenden suchen. Knapp zwei Drittel wollen früh im Bewerbungsprozess wissen, welchen Stellenwert Nachhaltigkeit an ihrem potenziellen Arbeitsplatz hat. Wie wird Energie gespart? Was wird aktiv für eine bessere CO2-Bilanz getan? Diese Fragen stellen sie auch deshalb, weil 69 Prozent der Befragten es schwierig finden, sich über die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu informieren. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels spricht das für ein Mehr an Kommunikation.
Den richtigen Mix finden
Wenn keine Nachhaltigkeitskommunikation also auch keine Lösung ist, stellt sich die Frage: Wie geht es richtig – insbesondere, wenn das Unternehmen nicht berichtspflichtig ist? Die Lösung liegt in einem individuellen Mix, der zur eigenen Nachhaltigkeitsstrategie passt. Sie ist das Fundament.
Fortschritte auf dem Weg zu den gesteckten Zielen können beispielsweise in einem freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert werden. Dafür spricht, dass ein Bericht eine fundierte Datengrundlage bietet, die hilft, Aussagen auf allen Kanälen zu untermauern. Viele der Daten müssen heute sowieso bereits vorgehalten werden, da berichtspflichtige Kund:innen sie von ihren Lieferant:innen einfordern. Die deutschen Mineralbrunnen könnten hierbei davon profitieren, dass die Anforderungen an kleine und mittelständische Betriebe im Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums gerade entschlackt werden.
Mehr als Daten
Zu einem gelungenen Mix gehört auch der Dialog mit Stakeholdern wie Kund:innen, Anwohner:innen oder Politiker:innen. Schon bei der Strategieentwicklung liefern sie wertvollen Input, welche Felder sie als wesentlich erachten. Im Dialog haben Unternehmen zudem die Möglichkeit, Fortschritte zu erläutern – und auch Herausforderungen, an deren Lösung man noch arbeitet. Gerade die Symbiose aus belastbarem Zahlenwerk und einordnender Kommunikation macht die Strategie greifbar. Storytelling über die eigenen Kanäle kann dabei ein gutes Mittel sein – wenn es faktenbasiert ist. Wer präzise formuliert, Proofpoints liefert, geforderte Maßnahmen von freiwilligen unterscheidet und seine Fortschritte in den Branchenkontext einordnet, kann weiterhin über Nachhaltigkeit im Unternehmen kommunizieren, ohne in die Greenwashing-Falle zu tappen.
Nicht zuletzt kann Nachhaltigkeitskommunikation auch direkt zur Zielerreichung beitragen, indem sie Verbraucher:innen für einen umweltbewussten Umgang mit den eigenen Produkten sensibilisiert oder Mitarbeitende einbindet, wenn es um Innovationen geht.
Umsicht statt Schweigen
Am Ende zählen Klimaschutz und eine intakte Umwelt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Kein Unternehmen kann sich daher der Diskussion entziehen, welchen Beitrag es dazu leisten wird. So komplex die Anforderungen also auch sind oder werden: Die Risiken einer ausbleibenden Nachhaltigkeitskommunikation sind höher. Daher gilt es, sie lieber früher als später systematisch aufzubauen, damit sie zu einer guten Reputation beitragen. Das mag aufwendig sein, aber mit Blick auf eine gute Position im Wettbewerb um Marktanteile, Fachkräfte und Akzeptanz allemal lohnend.