„Chat GPT: Ein Kipp-Punkt in der Kommunikation“ (PR Report, Februar 2023)
„Nimmt KI uns die Arbeitsplätze weg?“ (SWR, April 2023)
„Kunst und KI – wird der Mensch überflüssig?“ (Deutsche Welle, Januar 2023)
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie die deutsche Kommunikationswelt nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 auf die (mögliche) künstliche Konkurrenz blickte: Zunächst mit leichter Panik und dem Wunsch, bloß keinen technologischen Fortschritt zu verpassen. Die neue Technologie versprach aber auch neue Möglichkeiten, auf die sich viele Kommunikator:innen begeistert stürzten. Der KI-Hype machte nirgends Halt: Manche Unternehmen holten sich KI-Expert:innen und eigene Chatbots ins Haus, Regierungen feilten an rechtlichen Rahmenbedingungen und große KI-Unternehmen überboten sich gegenseitig, wer nun das disruptivste Tool für Sprach-, Bild-, Musik- oder Video-Erstellung auf den Markt bringen könnte. Zurück in der Gegenwart im Sommer 2024 stellt sich nun die Frage: Hat KI die Kommunikationsarbeit bereits nachhaltig und unwiderruflich verändert? Nach anderthalb Jahren Testphase ist die Antwort eindeutig: Jein.
Der Agenturalltag mit KI
Schauen wir uns einen Beispieltag einer Kommmunikationsberaterin im Jahr 2024 einmal genauer an und bewerten die Leistung der KI. Der erste Punkt auf der To-do-Liste: einen Blogbeitrag zum Thema KI verfassen. Von Kolleg:innen und aus eigener Erfahrung weiß die Beraterin bereits, dass das Artikel-Schreiben mit ChatGPT noch Herausforderungen mit sich bringt. Denn allein das Formulieren eines gelungenen und ausführlichen Erstprompts ist oft ein erheblicher Zeitverlust gegenüber dem „herkömmlichen Weg“, die Gedanken einfach selbst zu Papier zu bringen – vielfaches Nachprompten zur Textoptimierung noch gar nicht einberechnet. Was hingegen gut funktioniert, ist der Einsatz der KI als Korrekturleserin, die den Text bewertet und Alternativ-Formulierungen vorschlägt – vielen Dank ChatGPT! Bewertung: 5/10 Punkte für die KI.
Weiter geht’s mit einem Brainstorming: Ein knapper, aber schlagkräftiger Slogan muss her. Nach Eingabe aller relevanten Informationen sind die Vorschläge des Chatbots… absolut unbrauchbar: kitschig, nichtssagend oder teilweise dreist von Konkurrenzunternehmen kopiert. Der einzige Vorteil: Die Berater:innen werden von den unbrauchbaren Vorschlägen zu kreativen Höchstleistungen angeheizt und überbieten die KI daraufhin mit tollen eigenen Vorschlägen, die beim Kunden super ankommen. 2/10 Punkte für die KI.
Die letzte Aufgabe des Tages ist ein Beratungsauftrag: Gemeinsam mit einem langjährigen Kunden sollen Kommunikationsaktivitäten für das restliche Jahr geplant werden. Hier zeigt sich der bisher noch größte Schwachpunkt der KI: Sie kennt schlicht den Kunden nicht so gut wie die Berater:innen mit langjähriger Bindung und Erfahrung. Bei der Recherche nach Aktionstagen oder generischen Kommunikationsaktivitäten bietet KI zwar eine Basis, ist für die Gesamtkonzeption aber keine große Hilfe. Im Gespräch mit dem Kunden gehen die Berater:innen dagegen auf Wünsche ein, denken die gesamte bisherige Strategie mit und schlagen passende neue Ideen vor. Das daraus entstehende Konzept ist passgenau, zielgerichtet und hat die Bedürfnisse der bekannten Zielgruppen immer an erster Stelle mitbedacht. Dafür gibt es daher nur 3/10 Punkte für die KI. Das Fazit: Der Erfolg der KI im Arbeitsalltag ist derzeit noch durchwachsen. Doch was bedeutet das?
Die KI-Trendjourney
Nach anfänglichem Enthusiasmus und den großen Versprechungen der KI-Unternehmen, kommt die Einsatzfähigkeit der Tools in der Praxis langsam an ihre Grenzen: Erst wenn „Kinderkrankheiten“ wie der oft noch holprige Sprachstil oder die Ausgabe von falschen Informationen ausgemerzt sind und allen voran der rechtliche Rahmen eindeutig geklärt ist, kann KI flächendeckend und gewinnbringend eingebunden werden.
Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen des im letzten Monat erschienenen Hype-Zyklus für Künstliche Intelligenz des IT-Beratungs- und Markforschungsunternehmens Gartner. Hier wird generative KI im Moment an der Schwelle zwischen den beiden Hype-Lebensphasen „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ und „Tal der Enttäuschungen“ eingeordnet. Die im Zyklus genannte finale Stufe, das „Plateau der Produktivität“, liegt also noch in der Zukunft.
Und was bedeutet das für die Kommunikationsarbeit?
Die KI wird kommen – es wird nur länger dauern als ursprünglich gedacht. Das Potenzial ist eindeutig vorhanden: Wie zuvor das Internet wird KI die Art, wie wir arbeiten, nachhaltig verändern. Diese Veränderungsprozesse erfolgen jedoch nicht mit dem Holzhammer, sondern langsam und stetig. Kommunikator:innen sollten KI jetzt also nicht aufgeben, sondern gemeinsam mit ihr wachsen und lernen, die jeweiligen Stärken ideal einzusetzen. Der Panik zu Beginn der KI-Hype-Welle lässt sich also folgendermaßen begegnen: Ja, die KI kommt – aber der Mensch bleibt.
P.S.: Laut ChatGPT ist dieser Blogbeitrag „insgesamt sehr gut geschrieben und behandelt ein höchst relevantes Thema auf anschauliche Weise“ – vielen Dank! 10/10 für die KI.