Schon in der Sesamstraße haben wir alle gelernt, dass die richtigen Fragen uns schlauer machen. Bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien wenden wir diese Erkenntnis ebenfalls an. Wir fragen nach den Erwartungen und Bedürfnissen unserer Zielgruppen, damit wir unsere Strategie und unsere Botschaften daran ausrichten können bzw. sie „richtig abholen“.
Leider tun wir das aber viel zu selten direkt, sondern erst dann, wenn es um die Erfolgskontrolle geht. Bei der Konzeptentwicklung greifen viele lieber auf vorhandene Studien oder Erfahrungswerte der Beteiligten zurück. Oft werden Befragungen im Rahmen der Konzeptentwicklung aus Kostengründen abgelehnt. Aber ist das richtig? Ist es nicht viel teurer, ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen, das an den Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppen vorbeigeht? Hier können wir aus dem Marketing lernen: Kein Unternehmen würde sich mit einem ungetesteten Produkt auf den Markt wagen.
Natürlich hängt es vom konkreten Thema und Umfang sowie der Relevanz des Projekts ab, ob eine Befragung umsetzbar und sinnvoll ist. Aber in vielen Fällen kann sie deutlichen Mehrwert für die Konzeptentwicklung schaffen und den Kommunikationserfolg sichern.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Unternehmen möchte seine Nachbarschaftskommunikation neu aufstellen. Hier kann eine Bürger-Umfrage vor Ort viele wichtige Erkenntnisse liefern:
Einstellungen: Sie schafft zu allererst Klarheit über die momentanen Einstellungen gegenüber dem Unternehmen. Wird es am Standort geschätzt oder wird die Nachbarschaft zum Unternehmen eher kritisch gesehen? Welche Gruppen sind eher positiv eingestellt, welche eher kritisch?
Erwartungen: In der Befragung könnten Bürger außerdem die Erwartungen an das Unternehmen bzw. seine Standortkommunikation formulieren. Wie stellen sie sich den „nachbarschaftlichen Dialog“ vor?
Kommunikationsgewohnheiten: In unserem Beispiel gibt es eine breite Palette möglicher Maßnahmen vom Nachbarschaftsbüro bis zur WhatsApp-Gruppe. Bei der Zusammenstellung des zukünftigen Mixes ist es sehr wertvoll, die Kommunikationsgewohnheiten und Präferenzen der Zielgruppe zu kennen.
Themen: Und worüber soll geredet werden? Aus unserem Erfahrungsschatz wissen wir natürlich, welche Fragen etwa bei der Nachbarschaftskommunikation im Fokus stehen. Doch lokale Besonderheiten sind trotzdem nicht zu unterschätzen – bleiben uns ohne Befragung jedoch genauso verborgen wie Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen.
Der Effekt: Das gesamte Kommunikationskonzept kann viel zielgerichteter auf einzelne Anspruchsgruppen abgestimmt werden, indem Instrumente passgenau ausgerichtet werden. Kanäle, die eher von älteren Menschen genutzt werden, werden auch mit den dazu passenden Themen bespielt. Und das gilt nicht nur für die Planung der Nachbarschaftskommunikation, sondern genauso für Social Media, interne Kommunikation, Kampagnen, Website-Relaunches oder das Reputationsmanagement.
Bleibt die Kostenfrage – gerade für kleinere Unternehmen. Die gute Nachricht: Es muss nicht immer die bundesweite, repräsentative Langzeitstudie sein. Je nach Aufgabenstellung kann zum Beispiel mit kleineren Fokusgruppen (Gesprächsrunden) gearbeitet, eine Online-Befragung über die eigene Website geschaltet oder eine Kurzumfrage durchgeführt werden.
Eine pauschale Antwort auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Entscheidend ist, welches Ziel mit der Befragung verfolgt wird. Liegen über die Zielgruppe bzw. über ihre Einstellungen zum Thema noch keine ausreichenden Informationen vor, sollte die Befragung explorativ am Anfang des Konzeptionsprozesses stehen.
Eine Erhebung zu Beginn dient – richtig angelegt – dann gleichzeitig als „Null-Messung“ für die spätere Evaluation. Kann auf fundierte Ergebnisse aus anderen Projekten bzw. Studien zurückgegriffen werden, kann eine Befragung auch am Ende der Konzeptionsphase als „Pre-Test“ für Ansatz, Botschaften und Maßnahmen genutzt werden. Wie kommt das Konzept bei der Zielgruppe an? Was bewirken die Botschaften? Diese Erkenntnisse stärken auch den Rücken bei der internen Abstimmung des Konzepts.
Wer die richtigen Fragen stellt, bekommt klare Antworten. Und die gefallen einem nicht immer. Wenn die Zielgruppe berichtet, dass der langjährig gefahrene Ansatz sie eigentlich nicht anspricht, ist das keine schöne Nachricht. Aber unter dem Strich bleiben wichtige Erkenntnisse, die uns helfen, unsere Arbeit besser zu machen.Hier sollten wir uns den Prozess vom derzeit beliebten „Design Thinking“-Ansatz abschauen: Lieber früh mit der Zielgruppe in Kontakt treten, ihre echten Bedürfnisse verstehen und eigene Ideen vor ihrer weiteren Ausgestaltung „testen“. Scheitern sie, werden sie verworfen – und das besser früh als dass lange in ihre Umsetzung investiert wird.