Am Anfang war es die „Schuld“ des Föderalismus, dann eine Art parteiinterner Positionierungskampf und schlussendlich eine abstrakte und zuweilen inkonsistente Informationspolitik: Die Kommunikation während der Corona-Krise steht unterm Strich nicht gut da.
In der Anfangsphase der Corona-Pandemie in Deutschland konnte man die geflügelte Phrase „andere Länder – andere Sitten“ in einem ganz neuen Kontext lesen – und das nicht im positiven Sinne. Dort, wo die Autonomie unserer Bundesländer sonst – und das möchte auch ich ausdrücklich betonen – herzlich willkommen ist, war der ein oder andere vielleicht kurzzeitig genervt von ihr.
Daran hat aber keinesfalls unser Staatsmodell Schuld, sondern eine miserable und inkonsistente Kommunikation. Aber wie kam es zu diesem Frust? Eigentlich gar nicht so sehr aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Länder, sondern vielmehr, weil sie keiner nachvollziehen konnte.
Zeitgleich zur Suche nach einem neuen CDU-Parteivorsitz entwickelte sich ein weiterer Handlungsstrang, der sich negativ auf die kommunikative Außendarstellung auswirkte. Nach den Krisengipfeln zwischen Bund und Ländern und der anschließenden Information der Öffentlichkeit über beschlossene Maßnahmen traten einzelne Länderchefs wie Markus Söder oder Armin Laschet auf die Bühne und schienen für sich die Frage klären zu wollen, wer das beste Krisenmanagement präsentiert.
Das Problem: Sie sprachen in ihrer Funktion und auch Rolle als Ministerpräsidenten stets für ihre jeweiligen Bundesländer. Das wirkte nach außen jedoch teilweise anders. Nicht zuletzt, weil die beiden Unionspolitiker stark in bisherigen Bundesdebatten zum Umgang mit der Corona-Pandemie in Erscheinung getreten waren – und aus diesem Grund schnell mit bundesweiten Entscheidungen in Verbindung gebracht wurden. Sie trafen aber dann nur kurz im Anschluss an die Verkündung von Regeln für Gesamtdeutschland eigene Maßnahmen für ihre Länder. Die Verwirrung war bei vielen Zuhörern groß, die sich fragten, welche Maßnahmen denn nun überhaupt gesetzt waren.
Man konnte nicht davon ausgehen, dass die Gesellschaft so genau über die Befugnisse von Bund und Ländern in der Festlegung von Infektionsschutzmaßnahmen Bescheid wusste. Zudem überwog die politische Positionierung dem vertrauensvollen „An-die-Hand-Nehmen“ der ohnehin schon verunsicherten Bevölkerung.
Deutschland hält fest an der miserablen Corona-Kommunikation
Um ehrlich zu sein: In nun einem ganzen Pandemie-Jahr scheint keiner etwas dazugelernt zu haben. Es mag sein, dass man nun beispielsweise eine Ahnung davon hat, wann genau man auf die Straße gehen darf, wo man einen Mund-Nasen-Schutz trägt und ob die Gastronomie wieder öffnen darf oder nicht.
Der Rest verschwimmt jedoch im Ungewissen. Zwischen abstrakten Zahlen, Statements von Wissenschaftlern und Entscheidungen nach Bund-Länder-Gipfeln mit kurzer Halbwertszeit gedeihen Ängste um Gesundheit, Einsamkeit und Existenz prächtig. Und wenn es keine Angst ist, dann Resignation.
Dass der Lockdown – so berechtigt wie er ist – nach der jeweils zuletzt genannten Frist mit Sicherheit doch wieder nicht zu Ende sein wird, das denkt sich ein jeder mittlerweile selbst. Und es scheint fast als nehme man das in Kauf, um sich der Aufgabe zu entledigen, einmal klar zu äußern, dass wir damit vor April wohl nicht rechnen können. Wir merken den politischen Entscheidungsträgern an, dass sie das Übel nur in kleinen Dosen publizieren können. Es heißt dann – auf einmal ganz transparent – man wolle den Menschen „Perspektiven geben“. Die beflügelnde Kraft der Perspektive verfliegt jedoch schnell, wenn ein Muster erkenntlich wird. Ich spreche vielleicht nicht für jeden, aber ich hätte lieber einmal deutlich gesagt bekommen: „Bis zum Datum X ist Schicht.”
Die Auswirkungen blieben zwar drastisch, aber keiner würde sich umsonst Illusionen machen. In der täglichen Arbeit mit unseren Kunden und für deren Zielgruppen ist eine wichtige Aufgabe der Kommunikation ein solides Erwartungsmanagement. Das erreichen wir durch transparente Information und konsistente Botschaften. Davon kann bei der Corona-Kommunikation von Bund und Ländern gerade nicht die Rede sein.
Das Resultat ist eine große Müdigkeit
Das größte kommunikative Problem, das daraus entsteht, ist eine allgemeine Müdigkeit über den aktuellen Zustand, die – gepaart mit Unklarheit über Fakten – über kurz oder lang zu Ignoranz führt. Ich höre oft: „Ich möchte die Nachrichten gar nicht mehr sehen”. Und das von Menschen, die fernab davon sind, die Situation nicht ernst zu nehmen. Die Abwehrhaltung liegt nicht nur anden negativen Nachrichten selbst, weil sie natürlicherweise frustrieren.
Die Menschen fühlen sich orientierungslos und schalten in Teilen ab, wenn sie halbstündige Litaneien über Inzidenzzahlen und R-Werte hören, über deren Auswirkungen und nötige Maßnahmen sich weder Politik und Wissenschaft einig scheinen noch sie der breiten Bevölkerungsschicht wirklich verständlich machen, was zutun ist und womit sie noch rechnen muss.
Es fehlt an allen Enden an Konsistenz
Aber auch hier wurde viel versäumt, indem man wichtige Informationshappen auf dem Weg liegen ließ. Die Krisenkommunikation von Bund und Ländern bewegt sich eher auf dem Terrain des gegenseitigen Streits und der Kritik an einzelnen Maßnahmen als tatsächlich konsistent eine Sachlage wiederzugeben und diese für die Menschen einzuordnen.
Niemand sagt, dass die Entscheidungen der Regierung und die Beratung der wissenschaftlichen Experten ein Leichtes sind. Aber nach einem Jahr dürfte klar geworden sein, dass die Aufgabe, die Ungewissheit aufzufangen, auch den anfänglich gehypten Virologen-Podcasts über den Kopf wächst. In ihnen, genauso wie in Talkrunden, wird mittlerweile offen zur Schau getragen, dass eine beunruhigende Uneinigkeit besteht.
Die Kommunikation springt beim Lockdown von Datum zu Datum und bei den Inzidenzen von Zahl zu Zahl. Bleibt es beim 7. März? Wohl eher nicht… Wird es jetzt die „Zero-Covid“-Strategie oder öffnen wir doch wieder Läden mit Quadratmeter-Regelungen? Reicht eine bundesweite Inzidenz von 35 dafür? Oder steuern wir auf einmal doch die 10 an?
Kommunikation kann mehr als das
Wohl bemerkt: All das sind berechtigte Fragen, die es dringend zu diskutieren gilt und die letztendlich in einer außergewöhnlichen Krise wie dieser die Intention verfolgen, Menschen zu schützen. Trotzdem: Diejenigen, die sich nach den Entscheidungen richten und sich auf sie einstellen müssen, brauchen Klarheit und einen realistischen Ausblick. Auch, wenn eine große Mehrheit die von der Politik getroffenen Maßnahmen für sehr gut befinden, es fällt – so denke ich – zuweilen schwer, wirklich durchzublicken. Dabei braucht es kontinuierlich Vertrauen und Sicherheit.
Kommunikation – wenn sie die richtige Strategie verfolgt – kann das leisten. Zum Beispiel, indem sie sich nicht auf Nebenschauplätzen verzettelt. Indem die Akteure eine gemeinsame Sprache sprechen. Indem Erfolge sichtbarer werden. Indem Scheitern ehrlich erklärt wird. Indem Horizonte aufgezeigt werden. Indem menschlichem Leid nicht bloß mit abstrakten Zahlen begegnet wird, sondern mit klar geäußertem Verständnis und Versprechen, die realistisch sind. Indem solche Zahlen, wenn sie denn nötig sind, behutsam und verständlich vermittelt werden und zu einem Gesamtbild werden, das nicht eine diffuse Bedrohung zeichnet, sondern Lösungswege aufzeigt.
Bund und Länder haben eine schwere Aufgabe. Sie müssen sich aber auch Zeit nehmen, den Rest von uns abzuholen. Sonst bleibt zu befürchten, dass immer weniger Menschen zuhören.