„Aufgescheucht“– das scheint mir das richtige Wort für den Zustand der Unternehmenskommunikation zu sein als das Virus in ihren Alltag trat. Was kaum einer im Privaten so richtig verstehen konnte, das galt es für sie den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit zu erklären. Und auf einmal legten träge geglaubte Unternehmensapparate ein Tempo vor, das ihre Kommunikatoren rotieren ließ.
Mittlerweile sind viele Unternehmen beinahe angekommen im „Normalbetrieb 2.0“. Der steht nicht nur auf der Liste für das Unwort des Jahres ganz weit oben. Auch für Unternehmen und ihre Kommunikationsabteilungen ist er wohl die erste Sandbank, auf der man nach stürmischen Virus-Wellen einen Fuß auf festen Boden kriegt. Dennoch: Abstandsregeln, Mund-Nasen-Schutz und Krisenstäbe sind nicht das Einzige, was sich etabliert hat.
Change im Schnelldurchlauf
Was sich jetzt schon zeigt, ist, dass Unternehmen während der Pandemie große Sprünge gemacht haben – vor allem technologisch. Da wird innerhalb kürzester Zeit die gesamte Belegschaft mit Apps ausgestattet, weil es plötzlich die entsprechende Hard- und Software gibt. Homeoffice und Online-Meetings werden zur gängigen Praxis. Und der ein oder andere Konzern hat quasi über Nacht seine gesamte IT-Struktur überholt. Veränderungen dieser Art kosten ein Unternehmen sonst viel Zeit. Zeit für die Entscheidung, Zeit für die Entwicklung und Zeit für die Umsetzung. Und diese Zeit haben sonst auch die Kommunikatoren, um ihre Schäfchen in Kenntnis zu setzen und das Geschehen zu begleiten. Jetzt ging alles Knall auf Fall. Neben anfangs sogar fast täglichen Updates zur Pandemie-Situation gibt es nun ungeahnte technologische und kulturelle Entwicklungen, die es intern wie extern zu vermitteln gilt.
Ausnahmesituation verschiebt Prioritäten
Auch am Agenturschreibtisch merken wir, dass sich mit der Situation Prioritäten verschieben. Ad-hoc-Krisenberatungen im Corona-Fall, das neue Gewicht der Internen Kommunikation, deutlich präsentere CEOs und Führungskräfte – da kommt einiges zusammen.
Trotzdem wagt sich der ein oder andere Berater nun langsam hervor und fragt mutig nach, wie es bei den langfristigen strategischen Zielen und Projekten weitergeht, die Covid-19 vorübergehend auf Eis gelegt hat. Und auch die Unternehmen wissen, dass Normalbetrieb, ob nun eine 2.0 dahintersteht, oder nicht, auch bedeutet, sich wieder aus der Deckung zu wagen.
In vielen Konzernen hat sich der Wellengang mittlerweile soweit beruhigt, dass sie, wie es auch für unsere Gesellschaft heißt, „mit dem Virus leben“. Das heißt auch für die Kommunikation, sich wieder mit Themen wie Nachhaltigkeitsbemühungen, Strategiezielen und Digitalisierung zu beschäftigen. Gerade letztere hat durch die Pandemie nochmal einen Schub bekommen.
Die Unternehmenskommunikation wird experimentierfreudiger
Was Corona der Unternehmenskommunikation mit auf den Weg gegeben hat, ist, dass sie experimentierfreudiger sein darf. Warum auch nicht? Journalistenreisen finden mittlerweile virtuell statt, Bürgerdialoge lassen sich auch im digitalen Raum realisieren und es war nie leichter, seinen CEO nahbar zu positionieren. Mitarbeiter arbeiten verstärkt über kollaborative sozial-mediale Plattformen und sind über diese auch vielseitiger erreichbar. Ob in der Verwaltung, oder in der Produktion, sie schätzen regelmäßige Formate genauso wie neu- oder wiederentdeckte Podcasts, Webkonferenzen oder Videobotschaften. Die Angst vor Fehlern sinkt und macht Platz für zügiges Ausprobieren. Ein „gemeinsames Dilemma“ hat vielerorts zu transparenterer, ehrlicherer Kommunikation geführt. Das kann extern zu mehr Akzeptanz und Vertrauen führen und intern zu einem stärkeren Employee Engagement. Vor allem dann, wenn auch gemeinsame Meilensteine und Erfolge mit allen gefeiert werden.
Wichtig ist: Die Experimentierfreude darf der Kommunikation nicht verloren gehen. Die Notwendigkeit an schneller Information und Austausch, wie sie die Pandemie noch viel deutlicher gemacht hat, hat Blockaden gelöst. Innovative, kreative und vielseitige Kanäle und Maßnahmen sollten auch künftig die Landschaft der Unternehmenskommunikation bereichern und die wieder aufgenommene Strategie ergänzen. Das könnte das große Plus der „2.0“ sein. So kalt Corona die Kommunikation erwischt haben mag, das Wort „aufgescheucht“ muss nicht nur negativ konnotiert bleiben. Denn wenn wir aus dem Ganzen auch in unserem Handwerk etwas Positives mitnehmen können, dann sage ich: Lassen Sie uns das tun!